Thin & Will

Rote Nasen und die Vorzüge von Seereisen

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„Will…du solltest dich so langsam mal umdrehen… deine Nase ist fast gar.“ Mein geschätzter Begleiter, der auf diesen wohlgemeinten Rat nur mit einem unartikulierten Brummeln antwortet, schlummert schon seit einer ganzen Weile selig in der Sonne und seine Nase hat mittlerweile einen mehr als rosigen Schimmer angenommen. Damit ich mir in den nächsten Tagen nicht wieder bittere Vorwürfe anhören muss, werde ich etwas nachdrücklicher und gebe ihm einen sanften Stups in die Rippen. Das hilft. Mit einem erneuten Brummeln dreht Will sich um… und macht es sich mit meinem Bauch als Kopfkissen bequem. „Hee…*schubs* …das wird mir zu warm!“ Ein abgrundtiefer Seufzer und diese Schlafmütze schafft es immerhin, ein Auge zu öffnen und sich in eine halbwegs sitzende Position aufzurappeln. Mit einem zufriedenen Lächeln lehnt er seinen Kopf an meine Schulter und versucht weiterzuschlafen. „William… man könnte fast meinen, du hättest zu wenig Schlaf bekommen.“ – „Du hast ja gut reden… du hast ja nicht die ganze Nacht neben dir gesessen und Wache gehalten.“ – „Erstens stelle ich mir das schon in der Umsetzung schwierig vor, neben mir zu sitzen und zu wachen während ich schlafe, und zweitens war das vorgestern… du hattest also bereits eine Nacht um dich auszuschlafen.“ – „Und einen langen Fußmarsch…!“ – „Und einen langen Fußmarsch.“, muss ich ihm zugestehen, doch das bekommt er schon nicht mehr mit.

Während Wills Kopf auf meiner Schulter immer schwerer wird, lausche ich den Geräuschen des Schiffes und sehe hinaus aufs Meer. Ach ja… es hat doch durchaus seine Vorzüge auch mal einfach nur als Passagier zu reisen!

Da wir die einzigen Passagiere sind… (irgendwie scheint der Tourismus nach Tortuga nicht sehr ausgeprägt zu sein… komisch!)… und ich zudem die einzige Frau an Bord, hatte der Kapitän Gelegenheit sich von seiner besten Seite als Kavalier zu zeigen und uns seine Kajüte zu überlassen… aber wir zahlen ja auch nicht schlecht. Jedenfalls haben wir jetzt den Luxus einer Heckgalerie, auf der man gemütlich sitzen und auf das Meer hinausschauen kann. (Und schlafen! Weil Will mir mittlerweile mit jedem Atemzug in den Kragen pustet, versuche ich, meine Haltung etwas zu verändern… mit dem Erfolg, dass er halb aufwacht und mich mit einem Brummeln wieder zurechtrückt *seufz*)

Oben an Deck werden offenbar gerade Segel getrimmt. Die Kommandos schallen bis zu uns hier herunter. Für einen Kauffahrer ist der alte Käskahn hier eigentlich ganz in Ordnung. Das Segelsetzen könnte nach meinem Geschmack etwas schneller gehen, ist aber noch im akzeptablen Bereich. Mit den Kanonen sieht es da schon ganz anders aus. Ich bin zwar sozusagen privat hier, aber einen unauffälligen und dennoch professionellen Blick konnte ich mir natürlich aus alter Gewohnheit nicht verkneifen. Der Holländer hat zwar einige ganz ordentliche Kaliber herumstehen, die durchaus ziemliche Löcher schlagen würden, aber wenn man genau hinsieht, muss man feststellen, dass das alles mehr Schein als Sein ist. Das Schiff hat mehr Renovierungen als Geschützdrills gesehen, so dass einige Stückpforten so dick mit Ölfarbe verkleistert sind, dass sie im Notfall vermutlich mit der Brechstange geöffnet werden müssen. Ähnliches gilt für die Geschütze selbst. Ich habe ja nichts dagegen, wenn die Verzierungen mit Goldbronze etwas betont werden… nur sollte man dabei nicht die Zündlöcher zumalen. Und ich wette, dass bei zwei Dritteln der Stücke entweder die Ladung uralt ist, so dass das Pulver nicht zündet, oder sie enthalten gar keine Ladung. Und wer weiß, ob die Besatzung im Ernstfall überhaupt wüsste, was sie zu tun hat. Wenn ich hier Stückmeister wäre…! Vermutlich würde ich in drei Tagen um 20 Jahre altern.

Die East India Trading Company ist ja in letzter Zeit dazu übergegangen, Kanoniere zu beschäftigen. Aber ihre Schiffe sind ja auch die dicksten und lohnendsten Brocken in der Karibik. Ob ich’s bei denen mal probiere? Ich meine, als Kanonier… Wenn da nur nicht dieser alberne Haftbefehl für Will wäre. Lächerlich! Will und kriminell… na klar! Der ist doch die Rechtschaffenheit auf zwei Beinen! Sonst hätte er ja auch seelenruhig zugesehen, wie sie Jack hängen. *kopfschüttel* Alles nur wegen diesem elenden Erpresser Beckett! Wütend schlage ich mit der Faust auf die Planken neben mir. Wills Kopf gerät ins Rutschen. „Hee…“ *brummel* „Wasnlos?“ – „Nix, entschuldige, Schnuffi, schlaf weiter.“ Was er sich nicht zweimal sagen lässt. Ich schaue noch ein wenig aufs Meer hinaus, bis ich merke, dass auch mir die Augen zufallen.

Frühstück, Spanier und seidene Pyjamas...

Ahh… schon viel besser! Ohne Frühstück bin ich einfach nicht zu gebrauchen.

„Weischt du, Schnuffi…“ *mampf* „Wir schollten schleunigscht schum Hafen und ein Schiff finden.“ Wills Augenbraue wandert steil nach oben: „Das könnte schwierig werden… hier gibt’s keinen Hafen.“ *schluck* Häh?? „Wie… keinen Hafen?“ – „Keinen Hafen.“ – „Will… wo in den neun Höllen sind wir?“ – „Orlando, Florida.“ – „Was? Aber was will ich denn hier?“ – „Keine Ahnung… vielleicht gefiel dir der Name?“ – „Hmm… wäre möglich. Jedenfalls müssen wir an die Küste.“

Nach einem ungemütlichen Fußmarsch quer durch die Pampa. (Floridianer! Beanspruchen die Quelle der ewigen Jugend für sich und haben nicht mal nen Binnenhafen, tse!)… ah… endlich! Meer… Strand… und eine Stadt… na ja, was man in diesen Breiten eben darunter versteht: ein kleines Nest aber immerhin mit einer Hafenmole. Wir gehen gleich hin und versuchen ein Schiff aufzutreiben, das uns mitnimmt. Im Augenblick liegt nur ein Spanier vor Anker. Der Kapitän zeigt ein schmieriges Grinsen, das man an seinem Hinterkopf zusammenbinden könnte. „Ahh… Senorita! Welke sssöne Überrassunk! Abärr sselbssteverrständliss könnt Ihr an Borrd komme.“ Will zupft mich am Ärmel und zieht mich beiseite. „Thin… bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?“ – „Das ist das einzige Schiff hier, Will.“ – „Vielleicht kommt ja noch eins.“ Der Spanier versucht, sich bei mir unterzuhaken. „Iss verrsprrässse Euss eine angennähmme Rrreisse, Senorita. Irre rreissen ssselpsteverrreständlisse inne Kajüte desse Capitan.“ Will räuspert sich und stellt sich demonstrativ zwischen uns. Würdevoll teilt er dem Kapitän mit. „Danke… wir haben es uns überlegt.“ Ich unterdrücke ein Grinsen.

Wir lassen einen enttäuschten Spanier zurück und quartieren uns über Nacht ein. Am nächsten Morgen liegen tatsächlich neue Schiffe im Hafen. „Thin… was hältst du von dem Holländer da?“ – „Wie… ich soll auf nem Käskahn fahren?“ – „Willst du lieber mit dem da…?“ Will zeigt mit ironischem Grinsen auf einen dicken Ostindienfahrer. „Öööhm… du… lass mal. Erstens wird der wohl kaum Tortuga anlaufen und zweitens ist der gerade dabei, seine Ladung zu löschen. Kapern lohnt sich nicht.“ Will sieht mich entgeistert an. „Kapern??? DAS SCHIFF da??“ – „Naja… ist ja ein bisschen groß und unhandlich… aber du hast doch schon ganz Anderes bewältigt, Mr. Turner.“ Will findet das gerade kein bisschen komisch. Ich glaube, er ist sich immer noch nicht sicher, ob ich das nicht vielleicht doch ernst meine. Ich klopfe ihm liebevoll auf die Schulter. „Keine Angst… leer will ich ihn nicht. Voll wäre was Anderes. Stell dir vor, es wäre chinesische Seide an Bord. Da könntest du einen neuen Pyjama kriegen.“ Wills Seitenblick könnte töten. Ich unterdrücke einen Lachanfall und wir nehmen den Käskahn. Endlich wieder schwankende Planken unter den Füßen und das Ziel Tortuga vor Augen!

Morgen…

…glaube ich… egal… wenn ich aufwache, ist Morgen… und irgendwo ist in diesem Moment auch Morgen… egal.

Ich öffne vorsichtig ein Auge und wie eine heiße Stricknadel bohrt sich ein Sonnenstrahl in meine Netzhaut. „Verflucht, Will!! Warum sind denn die Fensterläden nicht zu??“ – „Könnte daran liegen, dass du hier mitten auf der Straße bist.“, kommt der trockene Kommentar von irgendwo neben mir. Straße?! Ja, klar… netter Versuch! „Red keinen Unsinn, mach die Läden zu und komm wieder ins Bett.“ Brummelnd drehe ich mich wieder um. Ich hasse schlaue Sprüche vor dem Aufstehen… und warum habe ich plötzlich Schotter im Bett?? Ich riskiere erneut, ein Auge zu öffnen. Tatsächlich… Schotter. Sehr merkwürdig. Und ein Fuß in einem verrutschten grauen Kniestrumpf und einem ausgelatschten Schuh. Nein… zwei Füße!

„Will… seit wann trägst du Schuhe im Bett??“ Ein leicht genervter Seufzer: „Das ist nicht das Bett… das ist die Straße! Und wir sollten hier verschwinden, bevor die Wache kommt.“ Wache? Wache! Ich bin wach! Ich ziehe mich an Wills Bein in eine halbwegs sitzende Position hoch und seinen Strumpf runter. „Tschuldige, Süßer.“ Noch ein Seufzer. Ich sehe mich vorsichtig um. Tatsächlich eine Straße! „Will… wir sitzen auf der Straße!“ Ein ironischer Seitenblick, während er seinen Strumpf wieder in Ordnung bringt. „Oh… wirklich? Das sag ich doch die ganze Zeit.“ – „Halt mich jetzt nicht mit Detailfragen auf, Schnuffi. Wir sollten sehen, dass wir Land gewinnen, bevor die Wache kommt.“ – „Auch das hab ich gerade gesagt.“ – „Klugscheißer… nicht vor dem Frühstück!“

Frühstück! Gutes Stichwort! „Hast du ne Ahnung, wo wir hier was zu Essen und ne Tasse Tee finden, Mr. Turner?“

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