Shopping in Tortuga

Tortuga, Mittag

Um diese Zeit… gegen Mittag… könnte man meinen, Tortuga sei eine Geisterstadt. Ein paar Fischer im Hafen, Schiffe, die wie unser Käskahn ihre Ladung löschen. In den Gassen streunende Hunde und Schnapsleichen vom vergangenen Abend und schmutzige Kinder und nicht weniger schmutzige Dirnen, die den wehrlosen Alkoholopfern noch das letzte bisschen abnehmen… oft buchstäblich das letzte Hemd. Die meisten Kneipen haben geschlossen und nur einige Händler haben ihre Läden geöffnet, entweder weil sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass sich doch auch etwas weniger lichtscheues Gesindel in die Stadt verirrt hat, oder weil sie mitbekommen haben, dass ein Schiff angelegt hat, dessen Besatzung neue Kundschaft verspricht.

Zielstrebig bahne ich mir meinen Weg zwischen den Schlammlöchern hindurch zu einer ganz bestimmten Spelunke. Die Tür ist nur angelehnt und ein lang gezogenes Knarren hallt durch die halbdunkle leere Gaststube. Eine Stimme, die man zunächst für eine weitere Lautäußerung der Tür halten könnte, schnauzt uns an: : „Verflucht noch eins… habt Ihr denn keinen Anstand, seid Ihr blind? Wohl Tomaten auf den Augen?? Hier ist geschlossen. Verpfeift Euch!“

Von diesem warmherzigen Empfang keineswegs abgeschreckt, erhebe ich nun auch meine Stimme: „Euch auch einen guten Tag, Mum Walker!“ Aus dem Dunkel hinter dem Tresen ertönen schlurfende Schritte, die sich uns nähern. Man erkennt eine füllige, vornübergebeugte Gestalt in Schlappen, die sich bei näherem Hinsehen als potentiell weiblich entpuppt. Will macht einen Schritt zu mir hin und baut sich beschützend neben mir auf, als sich beim Näheren Hinsehen auch eine erhobene Bratpfanne in der Hand der Gestalt aus dem Dunkel schält. Ich stelle mich vor ihn, denn ich bin der Meinung, mit einer gusseisernen Bratpfanne sollte er sich lieber nicht anlegen… schon gar nicht, wenn sie von Mum Walker geschwungen wird.

„Thin! Bei allem was mir heilig ist… was tust du um diese unchristliche Zeit hier?“ Mum Walker ist jetzt nahe genug heran, um mich zu erkennen. Wir kennen uns schon länger von meinen vorherigen Aufenthalten in Tortuga. „Kleiner Zwischenstopp. Ist mein Zimmer frei, Mum Walker? Du weißt schon… das ruhige nach hinten raus.“ Sie grinst mich mit einem Gebiss an, das mehr Lücken aufweist, als ein Dreidecker Stückpforten hat. „Für dich immer, Liebes!“ Sie mustert Will mit Kennerblick von unten nach oben und von oben nach unten und er findet nach einem irritierten Seitenblick die gegenüberliegende und bis auf ein paar Schmutz-, Rum- und Blutflecken völlig unspektakuläre Wand so faszinierend, dass er fast Löcher hineinstarrt. Mum Walker hat für seine Verlegenheit nur ein erneutes Stückpfortengrinsen. „Ruhig, häh? Kanns verstehen. Gib mir ein Stündchen, Thin, dass ich dein Zimmer herrichten kann.“ – „Ist recht. Wir müssen sowieso noch was besorgen. Wir können beide etwas Glanz vertragen.“


Mit einem Will, der es überaus eilig hat, Mum Walkers taxierenden Blicken zu entkommen, trete ich wieder hinaus auf die Straße. „Glanz?“ Will ist augenscheinlich mehr als skeptisch. „Was verstehst du denn darunter? Und wo um alles in der Welt willst du HIER Glanz auftreiben?“ – „Oh… täusch dich mal nicht mein Bester. Hier gibt’s mehr Glanz als du für möglich hältst. Was ich meine ist, dass wir beide mal wieder was Hübsches zum Anziehen gebrauchen können.“ – „Wieso? Was ist falsch an unseren Kleidern?“ Mein Begleiter schaut an sich und seinen leicht schäbigen Klamotten herunter. „Nix. Ich mag dein Outfit… trotzdem könnte dir was mit etwas mehr Glanz nicht schaden. Das was du da anhast, ist irgendwie… unpiratig.“ – „Aber ich bin ja auch kein Pirat!“ *seufz* Die alte Leier mal wieder! „Auch der Sohn eines Piraten darf ruhig mal etwas glamouröser auftreten, Schnuffi.“


Lange Rede, kurzer Sinn… kurz darauf befinden wir uns auf der Suche nach der Werkstatt eines Schneiders, die um diese Zeit offen hat. Will hat keine Lust, schon wieder eins der niedrigen dunklen Häuser zu betreten, und zieht es vor draußen zu warten. So ganz hat er die Notwendigkeit der neuen Kleider wohl noch nicht verinnerlicht. Naja, das kommt noch. Nachdem ich schnell Kleidung für mich gefunden habe, frage ich den Schneider nach Sachen für Will. Nach einem prüfenden Blick durchs Fenster meint der Schneider: „Wenn ihr den Jungen meint, der da draußen vor meinem Laden gerade von der kleinen Dirne da abgeschleppt wird… für den hab ich was. Nagelneue Klamotten… noch nie getragen. Der Kerl, der sie bestellt hat, konnte sie leider nicht mehr abholen. Lässt der sich lynchen, bevor er bezahlt hat, der Schuft!“ Ja, ja, sehr schön. Dem langen Sermon über die Ungerechtigkeit der heutigen Welt höre ich nur mit halbem Ohr zu. Irgendetwas an dem, was er vorher gesagt hat, stört mich…

Dirne?? Abgeschleppt???? MOOOOMENT!!!

Wutentbrannt stürme ich nach draußen. „Zieh Leine, du Schlampe… der gehört zu mir!“ Beleidigt rafft sie ihre schmuddeligen Röcke und verschwindet fluchend. „Aber sie hat mich doch nur nach dem Weg gefragt…“ Mein William! *seufz* „Nach dem Weg? Süßer… ich frag dich auch gleich mal nach dem Weg!“ – „Aber du kennst doch… oh…“ Ja, genau… oh! *kopfschüttel* „Komm jetzt mal mit in den Laden, ich hab Klamotten für dich gefunden.“

Der Schneider hat mittlerweile die Kleidungsstücke herausgesucht, von denen er gesprochen hatte: einen langen schwarzen Mantel, ein weinrotes Hemd, eine schwarze Lederweste und eine dunkelgraubraune Hose. Schick! Doch! Der tote Kerl hatte Geschmack…

Nachdenklich betrachtet Will seine Neuerwerbungen. „Eigentlich würden da doch Stiefel gut dazu passen…“ Sieh da, der Junge hat Blut geleckt! *grins* Sowohl der unglückliche Blick auf seine ausgelatschten Schuhe mit den rutschenden Strümpfen als auch der treue Augenaufschlag um seinen Wunsch zu unterstreichen sind mal wieder waffenscheinpflichtig. Ich versuche, wenigstens ein bisschen Haltung zu bewahren. „Stiefel? Kannst du dir so was leisten?“ Noch während ich das sage, fällt mir der fatale Fehler in meiner Strategie auf. „Nein. Du weißt doch ganz genau, dass ich kein Geld habe, weil Beckett meine Werkstatt konfisziert hat.“ Oh nein! Jetzt guckt er wieder wie ein von allen verlassener todgeweihter Babyseehund! Da hab ich mir ja selbst eine volle Breitseite verpasst! Toll! Was mach ich bloß? „Äähm… ach so… ja… stimmt… das Aas!“ Ich stelle fest, dass ich zu nett bin für diese Welt und wir gehen Stiefel kaufen.

Zurück in unserem mittlerweile renovierten Zimmer finde ich, dass es Zeit zum Mittagessen ist. „Will! Schmeiß dich in die neuen Klamotten, wir gehen runter was essen.“ Der Gedanke, Mum Walker über den Weg zu laufen, scheint meinem Begleiter nicht zu behagen. „Müssen wir runter in die Gaststube? Hier ist es doch viel gemütlicher.“ – „Unsinn!“ Seufzend verschwindet er hinter dem Paravent während ich mir schon überlege, was ich essen soll.

„Meinst du, ich kann so gehen?“ Das klingt aber sehr zögernd! Ich drehe mich um und… mein Unterkiefer schlägt unsanft auf dem Boden auf. Wow! Ich wusste, dass die neuen Klamotten schick sind… aber so schick? Ich hole tief Luft und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. „Weißt du, Will…“ *pieps* Verdammt, was ist denn mit meiner Stimme los!? *räusper* „Weißt du, Will… mir fällt da gerade ein… wir könnten doch genauso gut hier essen… ist doch viel gemütlicher…“ *scheinheiliges Grinsen* Wills Augenbrauen wandern steil nach oben. „Das hab ich doch eben selbst vorgeschlagen.“ – „Ja… weißt du… ich finde, du hast Recht…“ – „Soll ich die Sachen hier dann wieder ausziehen…?“ Ääääh… muss er mich das jetzt fragen??? „Naja…“ *nuschel* „…den Mantel vielleicht… und die Stiefel…?“ Seufzend fängt er an, sich aus dem Mantel zu schälen.

Hach ja…

...


...


...

„Was ist denn nun mit dem Essen, Thin?? Willst du unten Bescheid sagen, oder soll ich?“ Häh??? Essen?? Wasndas?? Äääh… oh… ja… da war was… „Äh… Essen… ja… nein, lass mal… ich geh schon.“ Wenn ich den in DEM Outfit allein in die Gaststube schicke, lassen ihn Mum Walker und ihre Mädchen in den nächsten fünf Jahren nicht mehr zurück!

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