Die Handelsmarine feiert Weihnachten

Fasziniert betrachtet er die Türklinke in seiner Hand, die er in ihrer vollkommenen Losgelöstheit von der ihr eigentlich zugedachten Tür und Bestimmung so noch nie gesehen hatte. Beinahe hätte er über diesem erstaunlichen Phänomen den Auslöser desselben aus den Augen verloren… soweit das möglich war.

„‘he ´nachten, Käptn Teague.“ Bill hatte die Angewohnheit, immer leicht gebeugt dazustehen und entsprechend vor sich hin zu sprechen. Dabei gingen manchmal Teile des Gesprächs in seinem nichtvorhandenen Bart verloren.

„Mrs. Turner is noch in der Küche. Die kommt aber gleich. William, mein Junge, willst du nicht unsere Gäste begrüßen?“

William Turner jr. unterbrach sein Spiel, das heißt, eigentlich hatte er es schon unterbrochen, als die Haustür sich so unerwartet entschloss, sich von der Senkrechten in die Waagerechte zu begeben. Will hatte gerade sein Lieblingsspiel gespielt: „Handelsmarine gegen Piraten“. Seine Schiffe hatte sein Vater für ihn gebaut. Wills ganzer Stolz war die Handelsmarine, ein schnittiges Schiff mit einer schwarzen Flagge am Hauptmast, auf der ein weißer Totenschädel prangte. Zur Abschreckung von Piraten, wie sein Vater ihm erklärt hatte. Sein Vater musste es wissen, er war ja auch bei der Handelsmarine. Deswegen siegte die ja auch in Wills Spiel immer glorreich über die bösen Piraten.

Jetzt aber ließ der Junge Handelsmarine Handelsmarine und Piraten Piraten sein und kam unter dem Esstisch hervor. Mit großen Augen sah er sich an, was da durch die Tür kam. Ob das der Weihnachtsmann war? Der hagere Mann trug zumindest eine rote Jacke. Aber seit wann trug der Weihnachtsmann einen großen Schlapphut? Und rauchte? Außerdem war der Mann da so mit klingelndem Klimbim behängt, dass er hervorragend als Weihnachtsmann und –baum in Personalunion durchgegangen wäre.

Bill Turner sen. nutzte den Augenblick, in dem sich aller Augen auf seinen – wie er fand, wohlgeratenen – Sprössling richteten, um die Türklinke, die er noch immer in der Hand hielt verschwinden zu lassen. Er liebäugelte zunächst mit den unendlichen Tiefen seiner Manteltaschen, bis ihm einfiel, dass er ja heute im Haus und zur Feier des Tages seinen alten Mantel gar nicht trug, sondern eine in Schnitt und Farbe zu seinem Sohn passende Jacke. Er versuchte kurz, die Klinke in seine Jackentasche zu stopfen, gab dies aber gleich auf. Seine Frau hatte beim Nähen der Taschen nicht daran gedacht, Stauraum für abgerissene Türklinken einzuplanen. Mit einem leichten Schulterzucken versenkte Bill Turner das unerwünschte Utensil in einem leeren Schirmständer neben der Tür. Hatte das Ding auch mal einen Nutzen.

Und Knecht Ruprecht hatte William sich auch irgendwie anders vorgestellt. Seit wann war der eine Frau? Und wo war sein Sack in dem er die Geschenke, die er so unkonventionell unter dem Arm trug, hätte transportieren sollen?

Den schien der Dritte im Bunde auf dem Rücken zu tragen. Zumindest trug der ein Bündel… ein sich bewegendes Bündel, das seltsame Töne von sich gab. Ein Jaulen erklang, das Will an das Nebelhorn draußen an der Themsemündung erinnerte. Für einen kurzen Moment schlug Wills Herz höher. Ob er endlich den Hund geschenkt bekam, den er sich schon so lange wünschte? So einen großen schwarzen…

Dann sah er die Hände, die sich dem Mann mit dem Bündel um den Hals legten, und er erschrak. Waren die Geschichten von Knecht Ruprecht, der unartige Kinder in seinen großen Sack steckte, um sie mit der Rute zu versohlen, also doch wahr? Will war sich eigentlich keiner Schuld bewusst. Er war brav gewesen… aber man konnte ja nie wissen.

Er schluckte, klopfte sich noch einmal den Staub von den Knien und fuhr sich durch die Haare, die Mutter Turner vorhin stundenlang versucht hatte, zu glätten und deren Locken sich schon längst wieder selbständig gemacht hatten. Will trat vor und machte seine artigste Verbeugung.

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